Solidarität mit den hungerstreikenden Geflüchteten in Eisenhüttenstadt!

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Traumaversorgungszentrum statt Abschiebeknast!

Seit Freitag, dem 12. Juli, befindet sich die Mehrzahl der Insass_innen im Abschiebegefängnis in Eisenhüttenstadt im Hungerstreik. Sie protestieren auf diese Weise gegen die unhaltbaren Zustände im Abschiebeknast. Laut unseren aktuellsten Informationen befinden sich neun Geflüchtete im Hungerstreik und fordern:

- Aufhebung der Haft!
- Aufhebung aller Abschiebebescheide!
- Fairen Zugang zu einem Asylverfahren!
- Freien Zugang zu externer, unabhängiger medizinischer und psychotraumatischer Versorgung!
- Freien und kostenlosen Rechtsschutz ermöglichen!
- Zugang zu unabhängigen Dolmetscher_innen!

Wir unterstützen die Forderungen der hungerstreikenden Geflüchteten und fordern die Zentrale Ausländerbehörde (ZAST) in Eisenhüttenstadt, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Eisenhüttenstadt, die Betreiberfirma der ZAST und des Abschiebegefängnis, B.O.S.S., sowie die Brandenburger Landesregierung auf, diese zu erfüllen.

Am Mittwoch, dem 10. Juli, hatte es im Abschiebeknast Eisenhüttenstadt erneut einen Suizidversuch gegeben. Der 21-jährige Gigi Grigalashvili fügte sich schwere Schnittverletzungen zu. Gegenüber Unterstützer_innen äußerte er, dass er Angst vor einer Abschiebung über Polen nach Georgien habe, unter Klaustrophobie leide und während seiner Inhaftierung keinen Zugang zur Behandlung seiner Psychotraumatisierung erhalten habe. Am Freitag wurde er nach zwei Nächten im Krankenhaus wieder ins Abschiebegefängnis gebracht, obwohl er nach Aussagen von Zeug_innen weiterhin suizidgefährdet ist.

Die Zustände, gegen die sich die Proteste richten, sind Ausdruck des rassistischen Normalzustandes in Eisenhüttenstadt. Gegen diesen begannen im Mai diesen Jahres Geflüchtete im Erstaufnahmelager, sich zusammenzuschließen und eine Demonstration gegen Abschiebungen, gegen unzureichende Gesundheitsversorgung, gegen das Vorenthalten von Informationen, gegen fremdbestimmtes Essen, gegen die Residenzpflicht und gegen rassistische Polizeikontrollen zu planen. An den Protesten auf dem Lagergelände und anschließend durch die Stadt am 3. Juni nahmen ca. 200 Menschen teil. Wenige Tage zuvor, am 27. Mai, hatte sich Djamaa Isu, ein junger Geflüchteter aus dem Tschad, unter dem Druck seiner drohenden Abschiebung in der Flüchtlingsunterkunft das Leben genommen. Nach der Demonstration versuchten Mitarbeiter_innen des Flüchtlingslagers, Geflüchtete, die sich an den Protesten beteiligt hatten, einzuschüchtern und mit Repressionsmaßnahmen zu überziehen.

Am 2. Juli berichtete DAS ERSTE in der Sendung 'Report Mainz' nicht nur von den menschenunwürdigen Zuständen in der Asylunterkunft und dem Abschiebeknast in Eisenhüttenstadt. Auch wurde darin die perfide Art und Weise öffentlich gemacht, mit der am Amtsgericht Eisenhüttenstadt Flüchtlinge kriminalisiert werden. In Schnellverfahren von oft weniger als 15 Minuten werden Geflüchtete zu Haft- oder Geldstrafen wegen 'illegaler Einreise' verurteilt. Besonders hervor tut sich demnach die Richterin Heidemarie Petzold, deren Urteile von rassistischer Ideologie nur so strotzen: Da werden Flüchtlinge zu „Asyltouristen“ gemacht, die „ihren Lebensunterhalt in der Regel durch Straftaten“ sichern würden, oder gleich zu einem „Heer der Illegalen“, dem „dringend begegnet“ werden müsse. Der „richterliche nationale Widerstand“, so die treffende Bezeichnung des Rechtsanwaltes Volker Gerloff, hat Tradition am Amtsgericht Eisenhüttenstadt: Eingeführt wurden die Schnellverfahren gegen Geflüchtete in den 90er Jahren vom langjährigen Amtsgerichtsdirektor Werner Ruppert, der sich in der TV-Reportage mit offen rassistischen Positionierungen hervortut.

Am Montag, dem 8. Juli, fanden sich Unterstützer_innen des pakistanischen Geflüchteten Usman Manir vor dem Amtsgericht Eisenhüttenstadt ein, welches entschied, seine Abschiebehaft noch einmal zu verlängern. Am 20. Juni konnte seine Abschiebung durch die solidarische Intervention eines Flugpassagiers und antirassistischen Aktivist_innen am Flughafen Tegel erfolgreich verhindert werden. Er kam wieder in Abschiebehaft nach Eisenhüttenstadt. Nach der Ablehnung eines eingelegten Eilantrages droht bald ein neuer Abschiebeversuch.

Sei es der Abschiebedruck, der Menschen zermürbt und bis zum Suizid treibt; sei es der Abschiebeknast, in dem Menschen ihrer Freiheit beraubt werden, um sie leichter abschieben zu können, so dass sie sich kaum mehr anders wehren können, als durch einen Hungerstreik Gesundheit und Leben zu riskieren; sei es eine rassistische Justiz, die Geflüchtete in Schnellverfahren aburteilt; seien es der Lagerzwang, die Residenzpflicht, die asylpolitisch gewollte Fremdbestimmung in allen Lebensbereichen; seien es die Repressionsversuche gegen Geflüchtete, die die Missstände in die Öffentlichkeit tragen. – Institutioneller Rassismus hat viele Gesichter. Menschen, die vielfach durch Kriegs-, Folter- und Verfolgungserfahrungen bereits traumatisiert sind, benötigen Zugang zu unabhängiger Trauma- und Gesundheitsversorgung. Dieser wird ihnen in Eisenhüttenstadt vorenthalten. Stattdessen werden sie durch ein dichtes Netz von Maßnahmen des institutionellen Rassismus erneut traumatisiert.

Wir fordern:
- Den Abschiebeknast sofort schließen und ein unabhängiges Traumaversorgungszentrum an seine Stelle!
- Alle Forderungen der hungerstreikenden Geflüchteten in Eisenhüttenstadt erfüllen!
- Institutionellen Rassismus auf allen Ebenen bekämpfen!