Abschiebung gestoppt - Abschiebung stoppen!

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Abschiebung STOP!
Nach Scheitern der Abschiebung von "Asylum Rights Evolution"-Aktivist wollen airberlin und Polizei sie nun mit Gewalt durchsetzen

Am Mittwoch, den 28. Mai 2014, protestierten am Flughafen Berlin-Tegel ca. 70 Menschen gegen die Abschiebung des Aktivisten Abdoul Drammé Kaboré. Der Aktivist der Gruppe "Asylum Rights Evolution" sollte mit einem airberlin-Flug um 12:50 Uhr von Berlin-Tegel nach Madrid abgeschoben werden. Von dort aus hätte ihm die weitere Abschiebung nach Burkina Faso gedroht. Dazu kam es jedoch nicht. Bereits gegen 11 Uhr wurde bekannt, dass airberlin die Abschiebung abgesagt hatte - offenbar aufgrund der Fax-, Mail- und Anrufaktion, zu der Unterstützer_innen der Refugee-Aktivisten aufgerufen hatten.

Abdoul Drammé Kaboré hatte, gemeinsam mit anderen Aktivisten der Gruppe "Asylum Rights Evolution", im Mai diesen Jahres mit einer Dauermahnwache auf dem Alexanderplatz und vor der Gedächtniskirche für ein Bleiberecht und gegen die Abschiebe-Verträge "Dublin II" und "Dublin III" protestiert. Um ihren Protesten Nachdruck zu verleihen, waren sie für längere Zeit in einen Hungerstreik, dann sogar in einen Durststreik getreten. Nachdem die politisch Verantwortlichen jegliche Gespräche verweigerten und der Gesundheitszustand der hunger- und durststreikenden Refugees sich lebensbedrohlich verschlechterte, verlagerten die Aktivisten ihren Protest am 11. Mai auf den Breitscheidplatz und baten in der Gedächtniskirche um Schutz. Die Kirche verweigerte ihnen diesen zunächst, so dass sie vor den Toren der Kirche von nun an eine Protestmahnwache abhielten, um ihre politischen Forderungen im öffentlichen Raum sichtbar zu machen. Am Morgen des 20. Mai wurde die Gruppe protestierender Refugees unerwartet von einer Hundertschaft der Polizei umstellt, mit der Begründung, sie hätten gegen die Residenzpflicht verstoßen, festgenommen, und umgehend zurück in die ihnen zugewiesenen Lager in Sachsen-Anhalt befördert. Der Berliner Senat und die Polizei nutzten so den rassistischen Residenzpflicht-Paragrafen, um die unliebsamen Geflüchtetenproteste zu unterdrücken - eine weitere Eskalation im zunehmend repressiven Umgang der politisch Verantwortlichen mit den legitimen Refugee-Protesten der letzten Jahre.

Einer der Geflüchteten wurde jedoch nicht in "sein" Flüchtlingslager in Sachsen-Anhalt zurück gebracht, sondern direkt in Abschiebehaft. Kurzfristig wurde bekannt, dass Abdoul Drammé Kaboré bereits am 28. Mai abgeschoben werden sollte - zunächst nach Madrid, von dort aus hätte die weitere Abschiebung nach Burkina Faso gedroht. Unterstützer_innen von "Asylum Rights Evolution" riefen dazu auf, Protestmails und -faxe an die ausführende Fluggesellschaft airberlin zu verschicken, organisierten eine Protestdemonstration am Flughafen Tegel und bereiteten Flyer vor, mit denen Passagier_innen über Möglichkeiten aufgeklärt werden sollten, durch couragiertes Verhalten die Zwangsbeförderung von Abdoul Drammé Kaboré zu verhindern. Am Terminal C des Flughafens ging die Polizei mit Platzverweisen und körperlicher Gewalt gegen Unterstützer_innen vor, die mit Passagier_innen ins Gespräch kommen wollten. Nach einiger Zeit wurde jedoch bekannt, dass die Abschiebung für diesen Tag abgesagt worden war - offenbar aufgrund der Protestfaxe und -mails an airberlin. Laut dem Anwalt von Abdoul Drammé Kaboré sei jedoch ein neuer Abschiebetermin in den nächsten Wochen angekündigt worden.

airberlin hat nach den angekündigten Protesten offenbar eine Begleitung der Abschiebung durch die Bundespolizei angefordert. Die Ankündigung, potenziellen Widerstand von Abdul Drammé Kaboré dann eben durch Polizeigewalt zu brechen, weckt erschreckende Erinnerungen an den Tod von Amir Ageeb. Amir Ageeb war 1994 vor dem Bürgerkrieg im Sudan nach Deutschland geflüchtet. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Als er 1999 mit einem Flug der Lufthansa gewaltsam abgeschoben werden sollte, starb er an den Folgen der Körperverletzungen, die ihm die begleitenden Polizeibeamten zugefügt hatten. Er war und blieb nicht das einzige Opfer der deutschen Abschiebepolitik: Den von der Antirassistischen Initiative dokumentierten Zahlen zufolge sind im Zeitraum von 1993 bis 2013 5 Geflüchtete während ihrer Abschiebung aus Deutschland zu Tode gekommen, 451 Geflüchtete wurden dabei verletzt, 33 Geflüchtete kamen nach ihrer Abschiebung im Herkunftsland zu Tode, 582 Geflüchtete wurden im Herkunftsland von Polizei oder Militär mißhandelt und gefoltert oder kamen aufgrund ihrer schweren Erkrankungen in Lebensgefahr, 71 Geflüchtete verschwanden nach ihrer Abschiebung spurlos.

Angesichts dieses Skandals wurde die Lufthansa Anfang der 2000er Jahre mit der Kampagne "deportation class" massiv unter Druck gesetzt, ihre Beteiligung am Abschiebegeschäft aufzugeben. Es gelang der Kampagne, die Geschäftemacherei mit Abschiebungen ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen und das Image der Lufthansa dadurch massiv anzukratzen. Die Kampagne wurde von zahlreichen Flüchtlingsinitiativen, Menschenrechtsorganisationen, Künstler_innen und Aktivist_innen unterstützt. In der Folge zog sich die Lufthansa, zumindest vordergründig, aus dem Abschiebegeschäft zurück.

Seitdem hat sich insbesondere airberlin als Fluggesellschaft negativ hervorgetan, die versucht, mit der Durchführung von Abschiebungen ein lukratives Geschäft zu machen. Im Juni 2013 konnte die Abschiebung des Aktivisten Usman Manir durch einen airberlin-Flug durch Proteste am Gate und letztlich durch die Zivilcourage eines Fluggastes verhindert werden, der sich weigerte, sich zu setzen, solange der unfreiwillige Passagier nicht das Flugzeug verlassen habe.

Die Pilot_innenvereinigung Cockpit empfiehlt Pilot_innen, "sich nur an Abschiebungen zu beteiligen, bei denen der Abschübling freiwillig fliegt". Sei die Person gefesselt, unter Beruhigungsmitteln oder in Begleitung mehrerer Polizisten, könne diese Freiwilligkeit bereits verneint werden. Im Zweifel solle der_die Pilot_in die abzuschiebende Person befragen, ob sie freiwillig fliege, und im Falle der Unfreiwilligkeit die Beförderung verweigern, so die Empfehlung von Cockpit.

Wir fordern daher airberlin auf, mit ihrer Beteiligung am Abschiebegeschäft endlich Schluss zu machen. Wir unterstützen alle Pilot_innen und airberlin-Beschäftigten, die sich weigern, Personen gegen ihren Willen zu befördern. Wir rufen alle Flugpassagier_innen auf, sich solidarisch mit Geflüchteten zu verhalten, Abschiebungen durch zivilen Ungehorsam zu verhindern und sich dabei auch von eventuell mitreisenden Polizist_innen nicht von ihrem legitimen Handeln abhalten zu lassen - diese haben im Flugzeug keinerlei Hoheitsgewalt. Und wir rufen alle Menschen und Organisationen auf, sich mit Abdoul Drammé Kaboré und allen anderen von Abschiebung bedrohten Geflüchteten zu solidarisieren, und auf unterschiedliche Art und Weise den Protest gegen das Geschäft mit den Abschiebungen zu unterstützen.

 

UPDATE vom 01.06.2014: Nachdem in der Pressemitteilung des Bündnis "Stop Deportation Berlin" und in der Folge auch in der Presse (z.B. im Tagesspiegel und im Neuen Deutschland) von einem neuen Abschiebetermin am 3. Juni die Rede war, möchten wir hier darauf hinweisen, dass kurz nach Bekanntgabe dieses Termins durch die Ausländerbehörde wieder ein neuer Termin angesetzt worden ist, am Dienstag also keine Abschiebung zu befürchten ist. Als neuen Termin hat die Ausländerbehörde nach unseren derzeitigen Informationen den Montag, 30. Juni angesetzt!

Termindaten
Ort der Veranstaltung: 
Flughafen Tegel
Stadt: 
Berlin