Crisis? What Crisis?

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Die Linke und die Biokrise

FelS-Klima-AG in der aktuellen arranca! #40

Das Gespenst der Biokrise geht um, auch in Europa. Aber bei der Linken in Deutschland scheint sie bisher nur als rhetorische Figur und Nebenwiderspruch angekommen zu sein. Die Frage, was genau wir ändern müssten, damit es bei endlichen Ressourcen und übernutzten Naturräumen Klimagerechtigkeit geben kann, diese Frage hat sich die Linke in Deutschland noch nicht wirklich gestellt. Denn dann landen wir bei der Erkenntnis, dass es ohne Negativwachstum, ohne eine schrumpfende Ökonomie im globalen Norden nicht geht. Nur so haben die Länder des globalen Südens eine Chance, ihre Infrastruktur und ihre Ressourcennutzung bis zur sogenannten «dignity line» auszubauen, ohne dass der Totalkollaps der Ökosphäre unvermeidlich wird. Wie genau hält es die Linke mit dem kapitalistischen Wachstumsimperativ und was haben wir jenseits der Forderung »Alles für Alle« dem herrschenden Diskurs entgegenzusetzen?

In der gegenwärtigen Wirtschaftskrise bemühen sich die Regierungen, den Rückgang der Wirtschaftsleistung zu begrenzen und mit Hilfe von Konjunkturpaketen und der Rettung von Banken möglichst schnell wieder positive Wachstumsraten herbeizuführen. Selbst der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, scheint seinen Glauben in die Selbstheilungskräfte der Märkte verloren zu haben und befürwortet staatliche Interventionen. Vergessen scheinen die Zeiten, in denen allerorts von Kürzungen der Staatsausgaben die Rede war, die vor allem zu Lasten derjenigen gingen, die auf die öffentliche Infrastruktur und sozialstaatliche Leistungen angewiesen sind. Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, dass die Linke die Verteilungswirkungen der Krisenbearbeitung ins Zentrum ihrer Kritik rückt. Die radikale Linke verweist darüber hinaus auf den systemischen Charakter der Krise, die Instabilität kapitalistischer Vergesellschaftung im Allgemeinen und die des Neoliberalismus im Besonderen. Eine Kritik jedoch, die lediglich die Art und Weise, wie die kapitalistische Wachstumsökonomie wieder auf einen dynamischen Pfad geführt werden soll, zum Gegenstand hat, ignoriert die voranschreitende Zerstörung der «natürlichen» Lebensgrundlagen in Folge der Produktivkraftentwicklung und der Krisenhaftigkeit der gesellschaftlichen Naturverhältnisse. Diese Leerstelle der Linken in der Bearbeitung der Wirtschaftskrise ist keineswegs eine Ausnahmeerscheinung, sondern Ausdruck der Weigerung, kapitalismuskritische Positionen von einem sozial-ökologischen Standpunkt aus zu entwickeln. Doch auf welchen Fundamenten könnte eine linke Wachstumskritik stehen?

Die Frage nach den Grenzen des Wachstums

Der Begriff Wachstum als Vergleichsmaßstab des volkswirtschaftlichen Outputs wurde im 20. Jahrhundert, in der Phase des Fordismus, populär. Fliessbandproduktion, Standardisierung der Produkte, technische Weiterentwicklungen und die Erkämpfung relativ hoher Löhne in Folge gewerkschaftlicher Organisierung sorgten für ein stetiges Anwachsen der Wirtschaftsleistung. Gewerkschaften und sozialdemokratischen Parteien waren Teil der den Fordismus tragenden Kräftekonstellation, die Gesellschaften wurden darauf getrimmt durch einen stetigen Zuwachs der Wirtschaftsleistung den Systemwettbewerb zu gewinnen und Verteilungskonflikte klein zu halten. So hatten auch die ArbeiterInnen an den Früchten des Wirtschaftswachstums teil, die Monotonisierung der Arbeitsabläufe wurde durch das Versprechen auf ein ständig steigendes Konsumniveaus, welches die Eintönigkeit kompensieren sollte, mit ermöglicht. Der Sinn und Zweck des Arbeitens verlagerte sich von der produktiven Tätigkeit an sich, hin zur Erzielung eines möglichst hohen Einkommens. »Mehr ist besser« lautete die Devise.

Dieses imperativische «Mehr«, welches auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens basiert, hat neben der gesellschaftlichen Dimension tief greifende Auswirkungen auf die Naturverhältnisse. Die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen wurde zwar in den 1970er und 1980er Jahren von der Umweltbewegung thematisiert, die Frage nach den Grenzen des Wachstums aufgeworfen und in Folge dessen «Umweltthemen» in den Fokus des politischen Establishments gerückt. Allerdings wurden die ökologischen Fragen aus Sicht der Herrschenden erfolgreich «entschärft», die Grenzen des Wachstums wurden in das Wachstum der Grenzen transformiert: mit der fortschreitenden technischen Entwicklung - so die bis heute dominante Vorstellung - lässt sich der wirtschaftliche Output immer weiter steigern. Wachstumsgrenzen wachsen mit der kapitalistischen Innovationsgeschwindigkeit. Einige umweltpolitische Regelwerke, die einem fortgesetzten Wirtschaftswachstum nicht im Wege standen, wurden eingeführt, während sich die Umweltbewegung nach und nach institutionalisierte. Die hegemoniale Stellung des «Mehr ist besser» wurde erfolgreich verteidigt.

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