Mayday, mayday - soziale rechte weltweit durchsetzen

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In zahlreichen europäischen Städten wird seit fünf Jahren der Mayday begangen. Hunderttausende gingen im letzten Jahr weltweit auf die Straße um ihren sozialen Protest auszudrücken. Mayday bedeutet für uns, dass verschiedene Proteste zusammengebracht werden, wenn es darum geht, gegen alle Verhältnisse zu kämpfen, die die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen bedingen. FelS ist Teil des Bündnisses, das den Mayday erstmalig nach Berlin holt.

Die Mayday-Parade ist eine offene Protestform und darf sogar Spaß machen. Auf die Mayday-Parade könnt Ihr auch gehen, wenn Ihr nicht schnell rennen könnt, ein Kind dabei habt oder wenn Ihr keinen schwarzen Kapuzenpullover besitzt. Unser fröhliches Auftreten und unsere gute Musik ändert jedoch nichts an unserer Entschlossenheit. Wir wollen Unterdrückung nicht ein bisschen sanfter gestalten und wir rufen nicht dazu auf, beim Arbeitsvermittler fröhlich zu tanzen, sondern wir wollen Unterdrückung abschaffen. Damit alle Menschen in Würde leben können, müssen radikal andere Gesellschaftsverhältnisse erkämpft werden.

Prekarisierung im Kapitalismus

Momentan sehen die Lebensverhältnisse nämlich recht trübe aus. Der Kapitalismus ist immer noch voll da, rassistische und sexistische Unterdrückungsverhältnisse blühen und gedeihen. Wir glauben nicht, dass durch das Pushen neuer Begriffe eine Widerstandsbewegung auf die Beine zu stellen ist. Wir glauben aber, dass der Bezug auf Prekarisierung sinnvoll ist, weil der Begriff es ermöglicht, parallele Entwicklungen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen zutreffend zu beschreiben. Die De-Regulierung und Entsicherung von Arbeitsverhältnissen, die Vermarktlichung der Lebenswelt, eine zunehmende Entrechtung von Flüchtlingen und MigrantInnen – diese Dinge passieren nicht einfach so, sondern sind Resultat einer politischen Praxis – als Klassenkampf von oben. Umfassender verstanden bedeutet Prekarisierung, dass zunehmend Unsicherheit erzeugt wird und mehr und mehr Menschen von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen werden. Gleichzeitig wird der Lebensstandard weiter Bevölkerungsteile gesenkt.

Die lauter werdende Forderung nach Eigenverantwortlichkeit und stetiger Selbstoptimierung bildet die ideologische Fahrstuhlmusik zum Prozess der Entrechtung. You can do it if you really want, lautet die zynische Botschaft. Strukturelle Ungerechtigkeiten werden zunehmend den davon Betroffenen in die Schuhe geschoben und damit entpolitisiert. Gleichzeitig bietet sich für die, die es geschafft haben, eine nette Möglichkeit, missliebige Emanzipationsbestrebungen in anderen Bereichen zu deckeln. Einige stehen eben mehr in der gesellschaftlichen Pflicht: Das ständige Gerede von der Gebärunwilligkeit der deutschen Frauen, das Lamentieren über angeblich faule Erwerbslose, die politische Hetze gegen Flüchtlinge und MigrantInnen – es kotzt uns an!

Nicht nach unten treten

Verstärkt „emanzipieren“ sich aber auch Benachteiligte, indem sie erlebte Unterdrückungsverhältnisse nach unten weiterreichen. Security-Sheriffs tun das mit Hilfe von Hund und Knüppel. Auf Kosten illegalisierter Haushaltshilfen befreien sich Gutverdienerinnen von der Last der Haus- und Reproduktionsarbeit. In Pankow-Heinersdorf versammeln sich über tausend BürgerInnen, um mit Hilfe organisierter Nazis Pogromstimmung gegen Religionsgemeinschaften zu machen. Solchen Praktiken erteilen wir eine klare Absage. Wenn das eigene Vorankommen auf dem Rücken von anderen ausgetragen wird, ist der Anspruch auf Emanzipation schon lange flöten gegangen!

Entschieden weisen wir aber auch das Geschwätz vermeintlich Linker zurück, die unter Rückgriff auf fragwürdige „Heuschrecken“-Metaphern die kapitalistischen Verhältnisse kritisieren wollen. In einem auf Gewinnmaximierung ausgerichteten System entlässt man Menschen nicht aus Bosheit, genauso wenig wie man sie aus moralischen Überlegungen einstellt. Aus diesem Grund macht auch eine Unterscheidung in „gute“ und in „schlechte“ Kapitalisten wenig Sinn.

Mayday grenzenlos

Dass der Kapitalismus nicht zu einer gerechten Verteilung des Wohlstands auf der Welt führen wird, wissen wir seit langem. Die Proteste der letzten Jahre, beispielsweise gegen G 8-Konferenzen und EU-Gipfel, aber auch in den vergangenen Monaten in Frankreich zeigen, dass immer mehr Menschen ihrem Frust und ihrer Wut auch Ausdruck verleihen. Diese Situation bietet neue Chancen für die außerparlamentarischen Linke. Denn die prekär Lebenden und Beschäftigten bleiben in den traditionellen Formen sozialer und politischer Repräsentation unsichtbar. An dieser Situation setzt der Mayday als Organisierungsprozess an- und das nicht nur hier. Denn der 1. Mai ist kein Nationalfeiertag, sondern ein internationaler Tag der Arbeiterinnen und Arbeiter. Für Nationalismus und Standortlogik ist auf dem Mayday kein Platz. Schluss mit Du bist Deutschland! Wir wollen nicht Klassenbeste im Ländervergleich kapitalistischer Selbstausbeutung sein, sondern in der klassenlosen Gesellschaft den Lehrplan gemeinsam schreiben! Der Mayday steht in einem internationalen Zusammenhang. Am 1.Mai treffen sich Protestierende auf Paraden in vielen Städten der Welt um gemeinsam gegen patriarchale, homophobe, rassistische, normierende Herrschaftsverhältnisse und für ein selbstbestimmtes Leben auf die Straße zu gehen.

Im Vordergrund dieses Maydays steht die Forderung nach Sozialen Rechten wie Gesund-heitsversorgung, Wohlstand, Bildung, etc. weltweit und für alle. Diese Forderung ist nicht neu, aber nirgendwo auf der Welt ist sie soziale Wirklichkeit. Die Vergabe von Rechten wird in der Regel an Leistungen geknüpft oder via Glücksrad vergeben. Soziale Rechte sind keine milde Gabe oder freundliche Staatsgeste. Sie werden nicht gewährt, weil Vater Staat oder Mutter Justitia es gut mit uns meinen. Wir werden sie nicht erbitten, sondern sie erkämpfen. Für uns und für alle.

Unsere Solidarität gilt allen, die sich gegen die unmenschlichen Verhältnisse zur Wehr setzen, ob sie bei Lidl für einen Betriebsrat kämpfen, ihre Arbeitsvermittler bescheißen, um ihr Bleiberecht streiten, Kindergartenplätze einklagen, das Zwei-Geschlechter-System in Frage stellen oder in Frankreich gegen Prekarisierungsgesetze kämpfen.

Und weil so viele es nicht hören wollen, am Ende noch mal laut und deutlich:

Patriarchale Verhältnisse überwinden!
Kapitalismus wegschmeißen!
Rassismus abschaffen!
Für ein gutes Leben für alle!

FelS im Mai 2006