Stellungnahme der Initiative für ein Berliner Sozialforum zur Bespitzelung durch V-Leute

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Bespitzelung der ausserparlamentarischen Opposition in Berlin

Im Spiegel vom 12.06.2006 wird über die gezielte Infiltration der Initiative Berliner Sozialforum seit der Gründung 2003 durch mehrere V-Leute aus verschiedenen Nachrichtendiensten berichtet. Wir fordern vom SPD/PDS-Senat den sofortigen Abzug aller V-Leute aus dem Berliner Sozialforum und allen Zusammenhängen, mit denen das Berliner Sozialforum zusammen arbeitet. Und wir fordern sofortige Akteneinsicht und Herausgabe aller über uns gesammelten Informationen.

Als Initiative Berliner Sozialforum stellen wir außerdem fest:

1. Die Initiative Berliner Sozialforum war seit ihrer Gründung Anfang 2003 ein offenes Plenum, an dem jede und jeder teilnehmen kann Die Diskussionen und Aktivitäten waren nie geheim, die Ergebnisse sind auf der Webseite www.socialforum-berlin.org nachzulesen. Wir verstehen uns als Teil der weltweiten und europäischen globalisierungskritschen Bewegung von Weltsozialforum und Europäischen Sozialforum.

Die Sicherheitsbehörden haben offensichtlich großes Mißtrauen gegenüber einem Forum, das von radikalen Linken bis hin zu GewerkschafterInnen, PDS- und sogar SPD-Mitglieder ein breites Spektrum der Linken versammelt. Der Senat sieht sich durch diese politische Selbstorganisierung an der Basis in seiner Machtsphäre bedroht. Deswegen verhinderte Innensenator Körting im Herbst 2003 durch direkte politische Intervention gegenüber der Kreuzberger PDS-Bürgermeisterin Cornelia Reinauer die Einrichtung eines „Sozialen Zentrums“ in der Glogauerstraße 16. Der SPD/PDS-Senat ist Kontrollorgan gegenüber dem Landesamt für Verfassungsschutz und lässt somit sogar seine eigenen Mitglieder bespitzeln.

Wir sehen das Modell Sozialforum unverändert als einen gelungenen Versuch an. Wir sind ein Forum für einen offenen, von gegenseitigem Respekt gelungenen Austausch linken und radikaldemokratischer Gruppen mit dem Ziel, neue Wege des politischen Widerstandes gegen den derzeitigen menschenverachtenden, neoliberalen Durchmarsch auf lokaler Ebene zu gehen. Wir bringen linke Politik verschiedenster Strömungen und Menschen mit kritischen Positionen zusammen und verschaffen ihr Gehör durch breiteste Kooperationen wie z.B. auch mit Obdachlosen- und Flüchtlingsgruppen und Kirchen, sowie mit Hilfe von Aktivitäten, die Aktionen zivilen Ungehorsams beinhalten. Daran können keine inoffiziellen und hauptamtlichen Geheimdienst-Mitarbeiter etwas ändern.

2. Der Schaden, der für uns entstanden ist, läßt sich noch nicht absehen, weil wir nicht wissen, ob sich die Tätigkeit der V-Leute nur auf das Berliner Sozialforum bezogen hat oder sich auf eine Vielzahl von Aktivitäten (Bankenskandal, Demonstrationen zum Sozialabbau, „Schwarz-Fahraktionen“ zum Erhalt des Sozialtickets, Belagerung des Abgeordnetenhauses etc.) ausgedehnt hat. Die von der Bespitzelung Betroffenen stehen öffentlich zu dem was sie sagen und tun.

Ein Schaden entsteht allerdings der politischen Kultur im Lande durch die fortwährende Bespitzelung der linken außerparlamentarischen Opposition. Zurecht fürchtet die Regierung spätestens seit der Agenda 2010 und Hartz IV Unruhe und Widerstand gegen den Abbau sozialer Sicherheiten und Rechte. Ihre Antwort darauf ist bekannt wie auch zynisch: die Politik wird nicht geändert, sondern Polizei und Verfassungsschutz werden in Marsch gesetzt. Die Geschichte hat uns gelehrt, wo eine Gesellschaft hinkommt, wenn sie bespitzelt wird!

3. Wir nehmen die Bespitzelung vor allem auch deswegen ernst, weil wir uns mitverantwortlich sehen, für all die Gruppen und Organisationen die mit uns zusammenarbeiten. Wir bleiben aber trotzdem bei unserer Offenheit und lassen uns nicht einschüchtern.

Berlin am 12.6.2006, das Plenum der Initiative für ein Berliner Sozialforum
http://www.sozialforum-berlin.de