Seit eineinhalb Jahren wird die ehemalige Gerhard-Hauptmann-Schule in  der Ohlauer Straße in Kreuzberg von Geflüchteten aus verschiedenen  Ländern bewohnt. Am 24. Juni hat das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg  nun begonnen, das Gebäude zu räumen. Mit 900 teilweise schwer  bewaffneten und gepanzerten Polizist_innen wurden die Bewohner_innen zu  „einem freiwilligen Umzug“ gezwungen. Ein Teil wurde in Unterkünfte am  Rande der Stadt verfrachtet. Diejenigen, die zu dem Zeitpunkt des  Zwangsumzugs gerade nicht in der Schule waren, sind nun obdachlos und  werden von den Ersatzunterkünften abgewiesen. 
Doch damit nicht  genug: Nachdem sich etwa 40 Bewohner_innen aufs Dach der Schule  flüchteten und in ihrer Verzweiflung damit drohten, sich im Fall einer  Räumung hinunter zu stürzen, hat die Polizei mehrere Straßenzüge rund um  die Schule abgeriegelt. Friedlicher Protest wurde mit Pfefferspray und  Schlagstöcken angegriffen und Geflüchtete teilweise über Stunden in  Gewahrsam gehalten. Jede_r, der in den abgesperrten Bereich will, muss  sich ausweisen, Anwohner_innen werden von Beamt_innen zu ihren Häusern  eskortiert. In der Schule selbst werden die Besetzer_innen von der  Polizei provoziert – die Strategie scheint zu sein: Psychoterror, bis  das Räumungskommando kommt.
Die Besatzungsstrategie der Polizei ist  ein Skandal. Dank der tagelangen Präsenz von Aktivist_innen vom  Oranienplatz und aus der Schule, von zahlreichen solidarischen  Berliner_innen und Anwohner_innen konnte mittlerweile internationale  Aufmerksamkeit auf die Situation gelenkt werden. 
Die  protestierenden Geflüchteten der Schule in der Ohlauer Straße sind Teil  einer politischen Bewegung mit klaren Forderungen. Residenzpflicht, die  systematische Nicht-Anerkennung von Fluchtgründen und die  Zwangsunterbringung in oft völlig isoliert liegenden Unterkünften machen  das Leben für die oft schon in ihrem Herkunftsland traumatisierten  Geflüchteten in Deutschland zur Hölle – und das über viele Jahre, oft  Jahrzehnte. Wie zuvor die Besetzung des Oranienplatzes war die Aneignung  der Schule 2012 kein Selbstzweck. Ziel war es, Orte zu schaffen, an  denen Geflüchtete ihren politischen Kampf und ihre Forderungen nach  einer menschenwürdigen Behandlung durch den deutschen Staat in die  Öffentlichkeit tragen können. 
Bei der Räumung des  Flüchtlings-Camps am Oranienplatz hat der Berliner Senat sein Wort  gebrochen. Den Geflüchteten waren die Einzelfallprüfung ihrer  Asylanträge durch das Land Berlin, eine Duldung für sechs Monate, Zugang  zum Arbeitsmarkt und zu Bildungsprogrammen versprochen worden, wenn sie  im Gegenzug den Platz „freiwillig“ verlassen. Diese Zusagen wurden  nicht umgesetzt, mehr als zehn Betroffene haben mittlerweile  Abschiebebescheide erhalten. Die Betroffenen in der Schule haben aus den  Erfahrungen der vermeintlichen „Vereinbarung“ am Oranienplatz gelernt,  weder Bezirks- noch Senatsangeboten zu trauen. Sie wissen: Was nach  einem „freiwilligen Umzug“ übrig bleibt, sind Vereinzelung, Isolation  und Abschiebung! 
In der Auseinandersetzung um den  Oranienplatz und die Gerhart-Hauptmann-Schule wird die gewalttätige  Durchsetzung der Festung Europa mitten in Berlin sichtbar. Eine  Weltwirtschaftsordnung, die von Exportweltmeister Deutschland maßgeblich  mitbestimmt wird, schafft die Konflikte, die an den Außengrenzen der EU  und zur Not auch hier nun mit polizeilichen Mitteln gelöst werden  sollen. 
Es ist an der Zeit, die Flüchtlings- und  Migrationspolitik auf Bundes-, aber auch auf lokaler und Länderebene zu  verändern. Der Berliner Senat könnte mit gutem Beispiel vorangehen. Er  hat alle notwendigen Mittel für eine demokratische, humanitäre Lösung  des aktuellen Konflikts in der Hand. 
Wir fordern den Berliner  Senat auf, die bestehenden aufenthaltsrechtlichen Spielräume zugunsten  der Betroffenen zu nutzen. § 23 des Aufenthaltsgesetzes sieht vor, dass  der Senat aus „humanitären Gründen“ anordnen kann, „dass Ausländern aus  bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen  eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird“. 
Wir fordern das  Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung  Friedrichshain-Kreuzberg auf, sich nicht einfach über die  Selbstorganisierung von Geflüchteten hinwegzusetzen und Konflikte nicht  mittels Polizeigewalt von oben zu „lösen“.
Wir unterstützen die Forderungen der Geflüchteten 
• 	nach sicheren Aufenthaltstiteln für alle Geflüchteten vom Oranienplatz  und aus der Gerhart-Hauptmann-Schule auf Grundlage von § 23  Aufenthaltsgesetz,
• die Errichtung neuer Unterkünfte für die vielen obdachlosen Geflüchteten bzw. dezentrale Unterbringung in Wohnungen, 
•	Zugang zu Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheit und demokratischer Beteiligung

