Europa, das ist inzwischen alles, politisches Leit- oder Feindbild, ökonomisches Desaster für einige und das gelobte Land wo Milch und Honig fließen für andere. Wenn es in Griechenland nur noch kracht und Deutschland wieder Exportweltmeister sein will, dann kommt das nicht von ungefähr, oder doch?
Europäisch, das sind „wir“ qua (Leit-)Kultur schon seit Jahrhunderten, vielleicht sogar schon seit Karl dem Großen, aber nur bis zum Bosporus, das hat was mit Geomantie zu tun, oder mit Religion, oder vielleicht auch mit dem 11.09.?
Europa, das ist da wo "wir" alle schon mal mit dem Billigflieger im Urlaub waren - ohne Pass und nur mit EC-Karte im Bikini; dieses Europa mit den sich wandelnden Außengrenzen, die Zehntklässlern das Leben im Geografieunterricht versauen.
Europa, das repräsentiert eine neue imperiale Ordnung und einen globalen Gegenspieler zu den USA (und seit neuestem China), oder gerade nicht? Und was ist eigentlich mit Russland? Kommt das noch oder kommt genau das nie? Wie weit kann und soll sich ein politisches Gebilde, das von einer Zollunion zu einer Wirtschaftsunion, nicht jedoch zu einer "Transferunion" werden soll, ausdehnen? Welche Diskurse und Politiken drängen hervor, nun da in einer Europäischen Union mit über Jahren etablierten neoliberalen Strukturen und entsprechender gemeinsamer Wirtschaftspolitik "die Krise" nur durch Geldtransfers zwischen den Staaten eingegrenzt werden kann bzw. genau dies nicht gelingen will? Der Finanzkrise scheint nicht beizukommen zu sein, Staatsverschuldung und Austeritätspolitik sind bereits jetzt die nächsten Folgen. Europa wird zunehmend zum Ort politisch-rechtlicher Disziplinierung der nationalen Politiken durch die Konstruktion supra-nationaler "Sachzwänge" wie dem geplanten Defizitverfahren. Welche Rolle spielt dabei Europas Norden und welche Effekte und Potentiale haben die Massenproteste in Europas Süden?
Und was ist eigentlich aus der politischen Union                 geworden? Dass politische Repräsentation auf                 europäischem Niveau mehr ein schlechter Witz ist, ist                 bekannt. Aber wird sich das jemals ändern, und wenn ja,                 durch wen und in welche Richtung? Würde eine europäische                 Regierung Spielräume für emanzipatorische Prozesse                 öffnen oder sie vollkommen verschließen?
 Was passiert jenseits des Parteienspektrums? Ist die                 außerparlamentarische Linke "in Europa"                 zusammengewachsen im Verlauf der "Europäischen Einigung"                 oder wurde ein gemeinsamer Aktionsraum vollkommen                 vernachlässigt und dem Verfall überlassen - oder gar den                 wegen, trotz oder unabhängig von Europa zunehmend                 präsenten rechtspopulistischen Strömungen in den Rachen                 geworfen? Findet mit der Europäisierung notwendigerweise                 auch ein Rückbezug auf nationale Ideologeme und eine                 Festigung der populistischen Leitkultur statt? Welche                 Optionen gibt es für europaweite politische Proteste?
Ist Europa heute wirklich eine Festung, von der Migrant_innen wenn nötig mit Kanonenbooten ferngehalten werden sollen? Ist Europa zuallererst über seine Abgrenzungsformen nach Außen und Innen zu bestimmen? Oder wird es - so wie gestern - auch morgen Zuwanderer geben, die sich ihren Traum von einem anderen Leben nicht von Zäunen und Grenzposten kaputtmachen lassen und dorthin gehen, wo sie eine Zukunft sehen? Und wie werden die, die von "Fachkräftemangel" und demografischem Niedergang schwadronieren damit umgehen?
Europa, das ist sehr oft ein undurchsichtiges                 Konstrukt, das verrückte bürokratische Auswüchse                 produziert: Agrar-Subventionen für nicht bewirtschaftete                 Felder, die Euro-Banane oder genaue Angaben über                 korrekte Maße für Salatgurken. Andererseits ist Europa                 aber auch da, wo erfolglose Klagen gegen juristische                 Schweinereien oder diskriminierende Praktiken in                 Nationalstaaten durchaus eine zweite Chance bekommen.
 Ist Europa besser als nichts, denn so wird der nationale                 Wahn es schwerer haben, oder gar nicht gut, weil sich                 die Kampfbedingungen durch Gesetzesangleichungen auf                 unterstem Niveau verschlechtern und bisherige durch                 unterschiedliche Landesgesetze vorhandene Rückzugs- und                 Spielräume wegfallen?
Wir freuen uns auf eure Ideen und Vorschläge für Artikel, Reportagen, Interviews, Zeichnungen, Gedichte … Und nehmen übrigens immer auch Vorschläge entgegen, die sich nicht mit diesem thematischen Schwerpunkt befassen.
Der Einsendeschluss für eure Artikelvorschläge                   ist der 6. Oktober,
 Redaktionsschluss für die ausgearbeiteten Artikel ist                   der 4. November

