In Gedenken an die Opfer des NSU – Das Problem heißt Rassismus!

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Demonstration am 4. November in Berlin

13 Jahre lang konnte eine Neonazi-Gruppe und ihr Unterstützer_innenkreis unbehelligt und scheinbar unentdeckt im Untergrund agieren, Morde, Bombenanschläge und Raubüberfälle planen und durchführen. Mindestens zehn Ermordete und zahlreiche Verletzte sind die erschütternde Bilanz. Ihr Motiv: Rassismus!

Vor fast einem Jahr, am 4. November 2011, ist diese Mord- und Anschlagsserie aufgeflogen. Verbunden mit dem Tod zweier Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) steht dieser Tag als Stichtag für die Aufdeckung und öffentliche Bekanntgabe der rassistisch motivierten Morde und Anschläge.

Die Bombenanschläge und die Ermordung von Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat sind durch die Mithilfe sogenannter Sicherheitsbehörden und politisch Verantwortlicher ermöglicht worden: Neonazis wurden strukturell und finanziell unterstützt, die Gefahr von rechts kontinuierlich verharmlost bzw. verschleiert und frühzeitige Hinweise ignoriert. Die vorhandenen rassistischen Denkmuster innerhalb staatlicher Institutionen und in Teilen der Gesellschaft haben eine rechtzeitige Aufklärung verhindert.

Das „Versagen“ der Sicherheitsbehörden mit ihren Neonazi-V-Leuten, der Justiz und der politisch Verantwortlichen setzt sich auch ein Jahr danach weiter fort: Ermittlungen werden behindert, Hintergründe, Zusammenhänge und Verantwortlichkeiten verschleiert und vertuscht. Die Existenz grundsätzlich unkontrollierbarer Geheimdienste sowie ihre strukturelle und inhaltliche Verfasstheit haben sich als Teil des Problems und nicht der Lösung erwiesen!

Für das Bündnis gegen Rassismus steht außer Zweifel, dass es eine klare Mitverantwortung staatlicher Organe an den NSU-Morden und an der politischen Stimmung gibt, die nicht nur diese Morde ermöglicht haben. Der Umgang mit den Ermittlungen im Fall des NSU, die erzwungenen Erkenntnisse um die Mordserie, die Verstrickungen der Polizei und des Verfassungsschutzes sowie die Kriminalisierung der Opfer und ihrer Angehörigen machen deutlich, dass wir es in Deutschland mit institutionellem Rassismus zu tun haben. Der Begriff "Döner-Morde" verhöhnt die Morde an Menschen und bagatellisiert sie. Die eingesetzte Sonderkommission für die Ermittlung der Mordserie wurde „SoKo Bosporus“ genannt und verdeutlicht damit erneut Ressentiments innerhalb bestimmter Institutionen und erweckt den falschen Eindruck sich mit etwas "fern" bzw. "außerhalb" der hiesigen Gesellschaft zu beschäftigen. 

Rassismus in Deutschland ist kein Randphänomen, das an den sogenannten "rechten Rand" der Gesellschaft verschoben werden kann. Er ist tief in der Mitte der Gesellschaft verankert und hat Struktur sowie Methode. Jüngste Beispiele demonstrieren, dass sich das Bewusstsein auch nach der Aufdeckung dieser Mordtaten nicht verändert hat: 20 Jahre nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen kämpfen Asylsuchende immer noch für elementare Menschenrechte in Deutschland, werden Roma stigmatisiert sowie in eine unsichere Zukunft abgeschoben und der Neuköllner Bürgermeister sowie Freund Sarrazins, Heinz Buschkowsky, diffamiert und kriminalisiert in seinem Stadtteil lebende Menschen. Nicht nur rassistische Splitterparteien wie "Pro Deutschland" tragen dazu bei, Rassismus durch Provokationen mit Hetze gegen Minderheiten, insbesondere Muslim_innen und sozial Ausgegrenzte, noch mehrheitsfähiger zu machen.

Wir stellen uns aktiv gegen Rassismus in dieser Gesellschaft. Nur wenn wir innerhalb der Gesellschaft die systembedingten Ursachen und Erscheinungsformen von Rassismus bekämpfen, können solche Morde und deren anschließendes Verschweigen und Vertuschen verhindert werden. Wir wollen in einer anderen Gesellschaft leben! Wir haben genug Rassismus in den Institutionen, in der Politik und im Alltag erfahren. Es reicht!

Wir lassen uns nicht weiter gegeneinander ausspielen, polarisieren, spalten und entsolidarisieren! Grenzenlose Solidarität – jetzt!

Deshalb rufen wir zu einer Kundgebung am 4. November 2012 vor dem „Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum“ des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Treptow auf. Gemeinsam wollen wir vom Refugee Protest Camp am Oranienplatz über das Schlesische Tor zur Abschlusskundgebung am BKA in Treptow ziehen. 

Das Bündnis gegen Rassismus fordert:

  • Kontinuierliche und kritische Auseinandersetzung mit Rassismus in all seinen Facetten in Politik, Alltag und Institutionen!
  • Alltagsrassismus und institutionellen Rassismus nicht an den "rechten Rand" zu verschieben, sondern endlich konsequent da zu bekämpfen, wo er vorkommt – in der Mitte der Gesellschaft!
  • Abschaffung des Verfassungsschutzes!
  • Abschaffung aller ausgrenzenden Gesetze! Ein menschenwürdiges Bleiberecht! Partizipationsrechte, gleichberechtigt und selbstbestimmt für alle in Deutschland Lebenden!
  • Schluss mit der diffamierenden und kriminalisierenden „Integrationsdebatte“! 
  • Schluss mit der rassistischen „Vermisst“-Kampagne von staatlichen Institutionen
  • Eine rassismusfreie, gerechte, emanzipierte und solidarische Gesellschaft!

Demonstration und Abschlusskundgebung am Sonntag, den 4. November 2012 in Berlin:

14.00 Uhr: Auftaktkundgebung am Refugee Protest Camp am Oranienplatz

15.30 Uhr: Zwischentreffpunkt am Schlesischen Tor

17.30 Uhr Abschlusskundgebung vor dem BKA, Am Treptower Park 5-8, 12435 Berlin

Termindaten
Datum: 
Sonntag, 4. November 2012 - 14:00
Typ der Veranstaltung: 
Demonstration
Ort der Veranstaltung: 
Oranienplatz (Refugee Camp)
Stadt: 
Berlin
Veranstalter_in: 
Bündnis gegen Rassismus