Offener Brief an den AK Vorrat

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Liebe Aktivistinnen und Aktivisten des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung,

auf der am 22. September 2007 vom AK Vorratsdatenspeicherung initiierten und von zahlreichen politischen Gruppen, Parteien und Einzelpersonen gemeinsam vorbereiteten Demonstration gegen die geplanten Bundesgesetze zur Vorratsdatenspeicherung kam es zu massiven Übergriffen der Polizei auf Demonstrantinnen und Demonstranten, vor allem - aber keineswegs ausschließlich - auf Höhe des Demonstrationsblockes des linksradikal geprägten „Kein-Friede“-Bündnisses.
Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demo wurden mit Schlagstöcken und Pfefferspray angegriffen, mehrere Menschen wurden brutal aus der Demo gerissen, gefesselt und teilweise stundenlang eingesperrt.
Hierauf hat weder der Anmelder der Demonstration noch die Demoleitung in angemessener Weise reagiert. Statt lautstark gegen diesen Angriff zu protestieren wurde die Demonstration einfach kommentarlos fortgesetzt und am geplanten Abschlusskundgebungsort beendet als wäre nichts geschehen.
Als Teil des Berliner Euromayday-Bündnisses hat sich FelS am Mayday-Block der Demo beteiligt.

Wir haben uns wirklich sehr über den unsolidarischen Umgang der Demoleitung mit den Polizeiübergriffen geärgert.

Auf den Bündnistreffen im Vorfeld der Demonstration konnten einige Vertreter eures Bündnisses gar nicht oft genug betonen, wie wichtig ihnen „der gewaltfreie Verlauf der Demo“ ist. Sogar eine Extra-Mail nur zu dem Thema wurde verschickt.
Als es dann aber tatsächlich zu brutalen Übergriffen der Polizei auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstration kam, wurde die Demo einfach fortgesetzt und die angegriffenen Demonstrantinnen und Demonstranten ihrem Schicksal überlassen. Der Einsatz der im Vorfeld mehrfach als „besonders in Deeskalationsstrategien geschult“ gepriesenen Ordner erschöpfte sich darin, die anderen Demoteilnehmerinnen und -teilnehmer zum Weitergehen aufzufordern.
Ist das die im Vorfeld so viel beschworene Gewaltfreiheit? Einfach wegzuschauen? Soll das auch in Zukunft so gehandhabt werden? Wird das nächste Mal wieder wochenlang mit einem diffusen Versprechen von „Friedlichkeit“ in allen möglichen politischen Spektren mobilisiert werden um die für unsere Anliegen gewonnenen Menschen dann im Ernstfall einfach im Regen stehen zu lassen, nur um die Demo um jeden Preis zu Ende führen zu können?

Was ist daran gewaltfrei?

Ist denn Gewalt nur Gewalt wenn sie von Seiten der Demonstrantinnen und Demonstranten ausgeht? Ist denn der völlig unprovozierte und anlasslose Angriff der Polizei automatisch gerechtfertigt, wenn er sich in erster Linie gegen Menschen mit Dreadlocks in schwarzen Kapuzenpullovern richtet, die ihren Protest gegen den Überwachungsstaat radikaler und umfassender formulieren als es der Einsatzleitung der Polizei lieb ist?
Auf dem vorletzten Bündnistreffen wurde von „gegenseitigen Vorurteilen“ zwischen der Polizei und dem „Kein-Friede“-Bündnis gesprochen. Angesichts des Verlaufs der Demo fragen wir uns, ob nicht vielleicht einige Menschen aus eurem Bündnis selbst den größten Vorurteilen gegenüber diesem Spektrum aufsitzen. Ganz abgesehen davon, dass all das Gerede über „gewaltbereite Black-Block-Demonstranten“ verschleiert, dass - wie immer zu solchen Anlässen - ebenso viele Menschen aus anderen Spektren angegriffen wurden wie aus den Reihen der vermeintlichen „Gewalttäter“.
Uns ist bekannt, dass ihr in derlei Fragen keineswegs alle einer Meinung seid. Wir würden eine offene und kontroverse Debatte begrüßen.
Uns interessiert sehr, wie ihr die offensichtlichen Provokationen und gewalttätigen Übergriffe der Polizei - gerade wegen der von beiden Seiten bejubelten „tollen“ Zusammenarbeit - bewertet, welche Konsequenzen ihr daraus zieht und wie ihr euch die weitere Zusammenarbeit im Bündnis vorstellt.

Bis dann,

FelS - Für eine linke Strömung


Links:
http://de.indymedia.org/2007/09/194668.shtml
http://www.fau.org/artikel/art_070924-094142
http://keinfriede.blogsport.de/