Statt Gleichsetzungsministerin:

Druckversion
Ein Gleichheitszeichen und ein Rautezeichen
Wieder anknüpfen an die 'extremistische' Tradition des 8. März!

Heute feiert der internationale Frauenkampftag seinen 100. Geburtstag … und wir sind mit einer Gleichstellungsministerin konfrontiert, die mit Gleichstellung nichts zu tun haben will – für alle, die es noch nicht wissen: Kristina Schröder ist in Wahrheit Deutschlands Gleichsetzungsministerin! Denn im Gleichsetzen ist sie unübertroffen:

rechtsradikal = linksradikal = extremistisch
Ganz in der Tradition des Verfassungsschutzes und seiner extremismustheoretischen Absicherung des Status Quo setzt sie gleich, was nicht gleich ist. Das Ziel: die Entpolitisierung und Sicherung der vermeintlichen „Mitte“ der Gesellschaft. Die Wirkung dieser Politik haben mit der „Extremismusklausel“ jüngst Projekte und Träger gegen Rechts zu spüren bekommen. Würde Schröder die sozialistische Geschichte des Frauentages ernst nehmen – sie müsste Extremismus wittern: Die Gesinnungsprüfung des Gleichstellungsministeriums hätte die sozialistische Frauentagspionierin Clara Zetkin durchfallen lassen.

Eine Ministerin beleidigen = „Deutschenfeindlichkeit“ = Rassismus
Inhaltlich werden wir über diese irrsinnige Gleichsetzung schweigen – davon distanzieren sich ja sogar diejenigen Forscher_innen, auf deren vermeintliche Erkenntnisse Schröder sich beruft. Taktisch scheint sie aber die gewollte Funktion zu erfüllen: den rechtskonservativen Rand der CDU/CSU bei Laune zu halten. Also diejenigen, denen sogar von der Leyens Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Karriere zu feministisch waren (Ramsauer, CSU: „das Wickelvolontariat“).

Feminismus = männerfeindlich = sexualitätsfeindlich
Schröders Lieblingsgleichsetzung – muffige Ressentiments, die auch durch jahrzehntelange Wiederholung nicht überzeugender geworden sind. In diesem Fall besonders absurd: eine Absage an Gleichstellungspolitik von der Ministerin, die für die Gleichstellungspolitik zuständig ist! Das Abtun aller strukturellen Ungleichheiten als Eigenverantwortung „der“ Frauen kommt gut an bei Unternehmen und neoliberalen Denker_innen. Dass Schröder vorgibt, gegen den Feminismus endlich etwas für Jungen und Männer zu tun, bedient Antifeminist_innen in Politik und Medien. Nur bei den migrantischen Jungs aus der „Unterschicht“, den „deutschenfeindlichen“ mit ihren problematischen Männlichkeitsbildern, da darf es dann doch ein kleines bisschen „Umerziehung“ sein. Bei dieser rassistischen Projektion sitzt Schröder dann aber doch wieder mit ihrer feministischen Kontrahentin Alice Schwarzer in einem Boot.

 

Forderungen für einen internationale Frauenkampftag 2011

Schade um die Gleichstellung – dabei gäbe es so vieles, was geschlechterpolitisch veränderungsbedürftig wäre! Angesichts Schröders Strategie der Geschichtsvergessenheit und Politik von gestern empfehlen wir einen Blick zurück in die Geschichte des Internationalen Frauenkampftags. Da finden sich reichlich Themen, für die es sich weiterhin zu kämpfen lohnt. Hier einige Klassiker:

  • Frieden! Deutschland „verteidigt“ heutzutage die nationalen Interessen in einem Maßstab wie seit 1945 nicht mehr. Besonders beliebt zur Zeit: Frauen- und Homorechte zur Legitimation von Kriegseinsätzen heranzuziehen. Wir sagen NEIN zu solchen Instrumentalisierungen!

  • Lohngleichheit! Es gibt immer genauere Erkenntnisse über Ausmaß und Ursachen der Lohndiskriminierung von Frauen – und gleichzeitig die neoliberale Ideologie, dies in den Verantwortungsbereich der Individuen abzuschieben: Wer nicht verhandeln könne, sei selbst schuld. Wir sagen NEIN zu solcher Ignoranz gegenüber strukturellen Machtverhältnissen und zur Kapitulation der Politik vor individualisierter Marktlogik!

  • Armut bekämpfen! Der Niedriglohnsektor, die Altersarmut, der prekäre Pflegebereich sind weiblich – weithin bekannt und doch keine Konsequenzen daraus gezogen. Gleichstellung und eine gerechte Lösung für die Pflegekrise bieten gute Argumente für Maßnahmen, die in der Bundespolitik fast schon als Tabus gelten: nicht nur Mindestlöhne, sondern auch ein bedingungsloses Grundeinkommen.

  • Reproduktive Rechte! Der biopolitische Zugriff auf die Körper von Frauen muss immer wieder abgewehrt werden. Und zwar nicht nur in Bezug auf christliche Abtreibungsgegner_innen. Ebenso wichtig ist der Kampf gegen die bevölkerungspolitische Familienpolitik, die dafür sorgen soll, dass nicht „die Falschen die Kinder kriegen“ (Bahr, FDP). Das Elterngeld ist eine Umverteilung nach oben, die durch die Abschaffung für Hartz IV-Empfänger_innen noch enorm verschärft wurde! Gleichzeitig müssen Queers immer noch gegen christliche Homophobie um die Erfüllung ihrer Kinderwünsche kämpfen. Und sogar die Abschaffung der offensichtlichsten rechtlichen Gewalt gegen Transgender (das Transsexuellengesetz fordert weiterhin Unfruchtbarmachung!) ist mit der Regierung nicht zu machen. Zudem hat sich mit der pränatalen Diagnostik eine „Eugenik von unten“ entwickelt, die im Sinne neoliberaler Humankapitallogik die Eltern – und insbesondere Mütter – auf die Produktion leistungsfähiger Kinder verpflichtet. Es gibt viel zu tun im Bereich reproduktiver Rechte – wir sagen NEIN zu Sozialrassismus, Heteronormativität und Behindertenfeindlichkeit!

Queerfeministisch it is!

Die Erkenntnis, dass Geschlechterrollen sozial gemacht sind und zudem hierarchisch zueinander stehen, wird mittlerweile nicht mehr nur in Seminaren an Universitäten diskutiert. Queerfeminismus bedeutet für uns auch den praktischen Kampf gegen patriarchale Herrschaftsverhältnisse, Homophobie und erzwungene Zweigeschlechtlichkeit. Neoliberale Strategien zur optimierten Verwertung unserer individuellen Fähigkeiten lehnen wir entschieden ab, ebenso wie die zunehmende rassistische Arbeitsteilung im Bereich der reproduktiven Tätigkeiten: sei es in der bezahlten Haushaltsarbeit oder der Kranken- und Altenpflege. Stattdessen fordern wir die strukturelle und soziale Gleichstellung aller Geschlechtsidentitäten und den Rücktritt einer Bundesministerin, die die sozialchauvinistische, rassistische und antifeministische Klischeemaschine beherrscht, aber bestimmt keine progressive Geschlechterpolitik.

Wir werden immer noch nicht als Frauen und Männer geboren, sondern nach wie vor dazu gemacht!

Für die Gleichsetzungsministerin gilt: Gleich wieder setzen!

Für alle anderen: Aufstehen und widersetzen!