Die Welt zu Gast im Asylknast?

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Redebeitrag auf der Demonstration gegen Abschiebehaft

Wir dokumentieren hier unseren Redebeitrag auf der Demonstration "Abschiebeknäste abschaffen! Abschiebehaft auf dem Flughafen BBI verhindern! Abschiebeknast Grünau schließen!" vom vergangenen Samstag, 10.12.2011, an der 400 Personen teilnahmen:

Mit großen offiziellen Feierlichkeiten soll am 3. Juni 2012 der neue Großflughafen in Berlin-Schönefeld eröffnet werden. Weit weniger bekannt ist, dass an diesem Stichtag auch ein Abschiebeknast für Flüchtlinge eröffnet werden soll – und zwar im Transitbereich eben jenes neuen Flughafens! Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen protestieren seit Monaten dagegen. Aus gutem Grund: Auf den Flughäfen Frankfurt und Düsseldorf hat sich gezeigt, dass die Rechte von Flüchtlingen in der Transithaft mit Füßen getreten werden. Doch bislang stellen die verantwortlichen Politiker_innen auf Bundes- und Landesebene in Berlin und Brandenburg auf Durchzug!

Nach dem Willen der Verantwortlichen (oder besser Unverantwortlichen) soll es bald auch in Schönefeld so sein, wie in den anderen drei deutschen Asylknästen, in denen Flüchtlingen ein Zugang zu einem rechtmäßigen Asylverfahren systematisch verwehrt wird. Mit dem absurden Argument, die Flüchtlinge seien ja noch nicht nach Deutschland eingereist (sondern befänden sich noch im Transitbereich), wird ein extrem verkürztes Asylverfahren gerechtfertigt. Innerhalb von 2 Tagen wird über den Asylantrag entschieden. Die Widerspruchsfrist beträgt 3 Tage und die Möglichkeiten, sich von einem Anwalt beraten zu lassen, sind weitestgehend eingeschränkt.

Gleichzeitig werden die Flüchtlinge, darunter auch Kinder und Mütter, auf engstem Raum im Flughafengebäude festgehalten und haben keinen Kontakt zur Außenwelt. Bis die tatsächliche Abschiebung vollzogen werden kann, vergehen oft Monate in der Flughafenhaft. Erst nach 30 Tagen muss diese Inhaftierung richterlich angeordnet werden, bis dahin werden die Menschen auf Grund einfacher Verwaltungsvorschriften ihrer Freiheit beraubt. Für Menschen auf der Flucht, von denen viele traumatisiert sind, ist es unter diesen Bedingungen unmöglich, ihr Recht auf Asyl wahrzunehmen, das ihnen im Grundgesetz und nach internationalen Konventionen zusteht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das Zurückhalten auf einem derart begrenzten Raum als Freiheitsentziehung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention gewertet.

Auch unbegleitete Minderjährige sollen nach dem Willen der zuständigen Behörden künftig unter diesen Bedingungen inhaftiert werden. Rückendeckung erhält dieser Beschluss von einem Urteil des Frankfurter Verwaltungsgerichts, laut dem –so wörtlich - „jeder Erwachsene in der Lage ist Kinder zu trösten“. Natürlich würde niemand dem durchschnittlichen Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma absprechen wollen, dass er – nicht zuletzt motiviert durch seine fürstliche Entlohnung - in mehreren Sprachen eine qualifizierte psychosoziale Betreuung mehrfach traumatisierter Jugendlicher durchführen könnte. Ein Schuft, wem da Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit dieses Verfahrens kämen.

Viele andere EU-Länder wehren sich gegen die Einrichtung von Asylknästen im Transitbereich von Flughäfen. Die BRD versucht seit Jahren das völlig absurde Konstrukt eines „extraterritorialen Raumes“ als Teil der europäischen Abschottungs- und Abschiebemaschinerie zu etablieren. Bis die Entscheidung darüber auf EU-Ebene fällt, wird noch einige Zeit vergehen. Somit hat die Einrichtung des Asylknastes auf dem neugebauten Hauptstadtflughafen, der zukünftig eine zunehmende Drehkreuzfunktion übernehmen soll, für die Bundesregierung einen hohen symbolischen Wert. Hier sollen Fakten geschaffen werden, um die eigene Position in der europäischen Diskussion zu stärken.

Auffällig und doch wenig verwunderlich ist, dass offenbar niemand die politische Verantwortung für den geplanten Abschiebeknast im Flughafen BBI übernehmen will. Klaus Wowereit lässt verlautbaren, Berlin sei mangels Zuständigkeit an dem Entscheidungsprozess nicht beteiligt gewesen. Zudem habe ihm das Innenministerium Schweigepflicht auferlegt. Offizieller Betreiber ist die Brandenburgische Ausländerbehörde, die aber mit der Entscheidung über den Bau des Asylknasts ebenfalls nichts zu tun haben will.

Gerne wird bei der Suche nach der oder dem politisch Verantwortlichen auch auf eine Eigeninitiative der Betreibergesellschaft verwiesen. Die drei Anteilseigner heißen Land Brandenburg, Berlin und Bundesrepublik Deutschland. Im 15-köpfigen Aufsichtsrat sitzen Klaus Wowereit und Matthias Platzeck sowie mehrere ihrer Minister. So schieben sich die eindeutig an der Entscheidung Beteiligten gegenseitig die Verantwortung zu.

Der Namensgeber des neuen Großflughafens „Willy-Brandt“ hätte wahrscheinlich etwas verwundert reagiert, wenn er 1934 bei Antritt seines Exils in Norwegen auf solche Umstände getroffen wäre. Am zweiten Tag im Osloer Transitbereich Ablehnung des Asylantrags wegen offensichtlicher Unbegründetheit, nach drei weiteren Tagen Verstreichen der Widerspruchsfrist wegen mangelnder Norwegisch-Kenntnisse, Abschiebung nach Nazi-Deutschland... Schönen Dank auch!

Die offensichtlichen Missstände in einem solchen Asylknast und die offensichtlich damit beabsichtigte weitere Aushöhlung des Asylrechts haben ein breites Spektrum an Protest auf den Plan gerufen. Von Kirchen und karitativen Gruppen über Parteien bis hin zu antirassistischen linken Gruppen und Flüchtlingsorganisationen wird Widerstand gegen dieses Kuckucksnest geleistet.

Um diesen Protest auf die Straße zu tragen sind wir heute hier und alle werden nach ihren Möglichkeiten und mit ihren Mitteln den Druck auf die Verantwortlichen erhöhen. Die politischen Entscheidungsträger müssen klar benannt und zur Verantwortung gezogen werden. Vor allen Dingen jedoch müssen wir die Inbetriebnahme dieses Asylknastes verhindern. Es kann nicht sein, dass das Grundrecht auf Asyl einer weiteren rassistischen Maßnahme zur Abschreckung von Flüchtlingen zum Opfer fällt.

In diesem Sinne: Kein Abschiebeknast auf dem neuen Flughafen Berlin-Schönefeld!

  • Bleiberecht für alle
  • Alle rassistischen Sondergesetze wie Residenzpflicht, Lagerunterbringung etc. abschaffen
  • Abschiebeknäste abschaffen
  • Flughafenasylverfahren abschaffen

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