Kein Ort für Nazis!

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Kein Ort für Nazis!
Antifa-Demo am 13. April in Südneukölln

Der Süden Neuköllns zählt bereits seit mehr als zwanzig Jahren zu einem Brennpunkt neonazistischer Gewalt. Seit 2003 existieren Kameradschaftsstrukturen und zwei Jahre später folgte die Gründung eines eigenständigen NPD-Kreisverbandes in Neukölln. Diese beiden Strukturen sind berlintypisch eng mit einander verzahnt und personell kaum zu trennen. Heute ist der Süden Neuköllns Wohnort von stadtbekannten Protagonist_innen der Berliner Neonaziszene. Die Folge sind regelmäßige Übergriffe auf Migrant_innen, politische Gegner_innen und das was dafür gehalten wird. Dieser Drang zur Gewalt eskalierte zuletzt im vergangenen Jahr als Neonazis zwei Brandanschläge auf ein Haus eines linken Jugendverbandes verübten. Von der Extremismusideologie beseelte gesellschaftliche Akteuer_innen und die Verbreitung von teils ausgeprägten rassistischen Stereotypen, die sich nicht zuletzt in den Stimmanteilen der NPD und andere rechter Parteien in den südlichen Ortsteilen Neuköllns ausdrücken, sorgen für einen schleppenden Verlauf der Entwicklung von Widerstand vor Ort.

Berliner Antifa-Gruppen und lokale Engagierte wollen das nicht hinnehmen und werden mit verschiedenen Aktionen den geschilderten Zuständen antifaschistische Präsenz entgegensetzen. Sie rufen für den 13. April 2012 um 17:30 Uhr zu einer Demonstration vom U-Bahnhof Lipschitzallee nach Rudow auf.

Was ist passiert?

Spätestens seit Ende der 1980er Jahre entwickelte sich insbesondere in Rudow eine zunächst vorwiegend subkulturell geprägte Neonaziszene. Schon damals kam es regelmäßig zu Übergriffen gegen Migrant_innen und Linke. An einem Wochenende im September 2001 überfallen zunächst 15 bewaffnete Neonazis eine Geburtstagsfeier im Gemeindezentrum einer evangelischen Kirchengemeinde in Rudow. Später jagen c.a. 50 Neonazis mit Messern und Baseballschlägern unter „Sieg Heil"-Rufen Migrant_innen an der Rudower Spinne. Anfang der 2000er Jahre erfolgte schließlich die Organisierung zuerst in festeren Kameradschaftsstrukturen und aktuell als für „Autonome Nationalisten" üblicher lockerer Aktionszusammenhang fest eingebunden in das unter dem Label „Nationaler Widerstand Berlin" firmierenden Netzwerks Berliner Kameradschaftsnazis. Nach den Verboten der Kameradschaften „Tor" und „Berliner Alternative Südost" kamen 2005 mit dem Kreisverband 9 eine NPD- sowie eine allerdings nach außen nicht wahrnehmbare JN-Struktur in Neukölln hinzu. 

Das Zusammenspiel von hoher Gewaltbereitschaft, aktionistische Ausrichtung und aggressiven Rassismus Neuköllner Neonazis in potenziell tödlichen Anschlägen trat im Frühjahr 2008 zu Tage. In den Nächten des 23. März und des 20.April 2008 werfen zwei jugendliche Neonazis Molotov-Cocktails auf Wohnhäuser von migrantischen Familien in Rudow, bei denen nur durch Glück niemand verletzt wurde. Robert Hardege, einer der damaligen Täter ist bis heute in der Neonaziszene als Anti-Antifa Fotograf tätig. Einer der Hintermänner, Julian Beyer, tauchte 2011 bei den Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung auf der Neuköllner NPD-Liste auf. Dass neonazistische Gewalt nicht im luftleeren Raum abläuft belegte eine nach den Brandanschlägen 2009 durchgeführte Anwohner_innenbefragung. In den Antworten offenbarten sich Abstiegsängste kombiniert mit dumpfen Rassismus und der Tendenz der Schuldzuweisung an die Betroffenen von Neonazigewalt. 

In den letzten Jahren gerieten verstärkt Personen und Institutionen ins Visier Neuköllner und Berliner Neonazis, die sie dem politischen Gegner zuordnen. Seit August 2009 kam es in mehreren Bezirken zu einer Welle von eingeworfenen Fensterscheiben und gesprühten Drohungen an linken Projekten, Parteibüros und Wohnhäusern. Betroffene sind Projekte und Personen, die auf so genannten „Feindeslisten" auf den Seiten des indizierten Portals „NW-Berlin" und der dort verlinkten Chronik-Seite mit Fotos und Namen aufgeführt werden. Als Verantwortlicher gilt, trotz anders lautender Beteuerungen, der im Februar neu gewählte Berliner NPD-Vorsitzende Sebastian Schmidtke. Doch dabei blieb es nicht. In der Nacht vom 26. auf den 27. Juni 2011 brannte es gleich an fünf Stellen. In Neukölln war das Anton-Schmaus Haus des Jugendverbandes „die Falken" betroffene, in dem kurz zuvor noch eine Kindergruppe übernachtet hatte. Am Jahrestag der antisemitischen Novemberpogrome am 9. November 2011 wurde kurz vor der geplanten Wiedereröffnung ein erneuter Brandanschlag auf das Jugendzentrum verübt und das Gebäude schwer beschädigt. 

Eine der Gründe warum sich vor Ort bisher kein effektiver Widerstand gegen die Neonazis entwickeln konnte, war neben fehlenden alternativen Strukturen auch ein verbreitetes „extremismustheoretisches" Ressentiment gegenüber antifaschistischen Strukturen in der so genannten Zivilgesellschaft. Ein Negativbeispiel ist eine im Februar 2010 verabschiedete Entschließung der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung, in der in fataler Weise neonazistischen Drohungen und Anschläge mit Aktionen gegen das Quartiersmanagement in einen Topf geworfen wurde und sich gleichermaßen gegen „Einschüchterungsversuche gegen Personen sowohl [!] von rechts- als auch von linksextremer Seite" ausgesprochen. Eine solche Perspektive verkennt nicht nur die gesellschaftlichen Verhältnisse, sie ist blind gegenüber alltäglichem Rassismus. Dass das notwendige Potenzial aus Alkohol und aggressiver Männlichkeit besonders in Südneukölln vorhanden ist, zeigte sich zuletzt im Oktober 2011 als ein migrantischer Imbissbetreiber im U-Bahnhof Rudow angegriffen wurde und wenig später Anhänger des TSV Rudows bei einem Spiel gegen Tennis Borussia deren Fans mit homophoben, sozialchauvinistischen und NS-relativierenden Parolen provozierten und mit Gegenständen bewarfen. 

Zeit zu Handeln!

Trotz vergangener erfolgreicher antifaschistischer Interventionen ist das Problem von Neonaziszene und rechtsoffener Alltagskultur also weiterhin akut. Berliner Antifa-Gruppen und lokale antifaschistische Initiativen wollen dem etwas entgegenzusetzen. Sie rufen für den 13. April zu einer antifaschistischen Demonstration durch Südneukölln auf. Außerdem ist ein antifaschistisches Straßenkonzert geplant, dass Jugendlichen vor Ort mit einem vielfältigen Line-Up ein Angebot von alternativer Jugendkultur machen soll. Die Aktionen rund um die Demo sollen Neonazistrukturen und ihre Akteuer_innen benennen und ihnen die beanspruchten Räume streitig machen. Durch Veranstaltungen und Aktionen sollen die Menschen in den betroffenen Ortsteilen angesprochen, sensibilisiert und ermutigt werden selbst aktiv zu werden. Auch die für die aktuelle Lage verantwortlichen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sollen dabei kritisch in den Blick genommen werden. Zur Mobilisierung haben Berliner Antifa-Gruppen eine Sonderseite mit allen aktuelle Informationen und Hintergründen sowie Bannern zum verlinken eingerichtet. Der ausführliche Aufruf wird in wenigen Tagen veröffentlicht. Entsprechende Mobimaterialien sind im Druck und werden noch in dieser Woche in den einschlägigen Locations erhältlich sein. 

Auch die Kampagne „Neukölln gegen Nazis" mobilisiert mit eigenen Plakaten und Flyern zur Demo und möchte vor allem Mittels Veranstaltungen Informationen über die Neuköllner Neonazis bereitstellen und konkrete Handlungsmöglichkeiten diskutieren. 

Termindaten
Datum: 
Freitag, 13. April 2012 - 17:30
Typ der Veranstaltung: 
Demonstration
Ort der Veranstaltung: 
Bat-Yam-Platz | U Lipschitzallee
Stadt: 
Berlin