Rassistischer Ausschluss in Volksbegehren

Druckversion
Rund 30% der ungültigen Unterschriften für den Energietisch stammen von Menschen mit nicht-deutscher Staatsbürgerschaft

Bis Anfang Juni sammelte der Energietisch 271.496 Unterschriften, um ein soziale, demokratische und ökologische Energieversorgung durchsetzen zu können. Nur 227.748 dieser Unterschriften werden jedoch vom Staat als relevante Stimmen anerkannt. Neben weiteren problematischen Auschlüssen, beispielsweise von Menschen die vermeintlich zu jung sind, um eine legitime Meinung zu haben, wurden vor allem die Unterschriften derjenigen für ungültig erklärt, die keinen deutschen Pass haben. Denn stimmberechtigt für Volksbegehren sind nur die Berliner_innen, die auch für das Abgeordnetenhaus wahlberechtigt sind. Menschen mit einer Staatsbürgerschaft außerhalb der EU haben keinerlei Möglichkeit legislativ mitzumischen. EU-Bürger_innen hingegen haben zwar ein kommunales Wahlrecht, aber sie dürfen nicht das Landesparlament wählen – und damit auch nicht bei landesweiten Volksbegehren unterschreiben. In Stadtstaaten wie Berlin werden dadurch auch ihnen in Teilen ihre kommunalen Mitbestimmungsmöglichkeiten  entzogen, weil viele kommunalpolitische Fragen auf der Landesebene entschieden werden. Ingesamt sind in Berlin etwa 440.000 Menschen von diesen Regelungen betroffen.
Um diese Ungerechtigkeit zu unterlaufen, hat der Berliner Energietisch offensiv auch diese Menschen eingeladen zu unterschreiben. Mehr als 10.000 von ihnen haben den rassistischen Ausschluss nicht akzeptiert und trotzdem unterschrieben, obwohl ihnen erklärt wurde, dass ihre Stimmen nicht gezählt würden. Die Berliner_innen ohne deutsche Staatsbürgerschaft müssen mit den selben Umweltbedingungen, Demokratiedefiziten und Energiepreisen kämpfen wie alle anderen, haben aber keine Möglichkeit diese auf legislativer Ebene zu beeinflussen. Das hat insbesondere zur Folge, dass Interessen die sich aus der Konfrontation mit rassistischen Strukturen ergeben, in Volksbegehren und den darauffolgenden Volksentscheiden unterrepräsentiert werden. Ein besonders problematisches Beispiel hierfür lieferte Hamburg 2010, wo privilegierte Bürger_innen mit einem Volksbegehren die Aufrechterhaltung einer möglichst frühen Selektierung in dem elitären, mehrgliedrigen Schulsystem durchsetzten - über die Köpfe der nicht-deutschen Staatsbürger_innen hinweg.
An den gesetzlich vorgegebenen Ausschlüssen in Volksbegehren zeigt sich sehr deutlich, an welche Grenzen Aktionsformen stoßen, die sich nah an einer staatlichen Logik bewegen. Andererseits liegt hier auch eine Chance diese Ausschlüsse sichtbarer zu machen. Das Bündnis „Wahlrecht für alle“ hat sich dies eigens zum Ziel gesetzt.